Interview mit Brigitte Hawelka, Kulturanthropologin und Prozessbegleitung für Inklusion.
„Das Potenzial des Scheiterns“ – das klingt interessant. Was genau verbirgt sich hinter dahinter?
Es geht darum, das Selbstverständliche wiederzuentdecken. Wie bei Kindern die Laufen lernen, schafft jeder Schritt erneut Unsicherheit, vielleicht ein Leben lang. Wir machen alle möglichen Erfahrungen, eben auch mit dem Thema Scheitern. Wenn wir das zulassen und mit einkalkulieren, dann werden wir mutiger, lassen uns von Scheiter-Erfahrungen nicht abbringen, es ein weiteres Mal zu versuchen oder einen weiteren neuen Schritt zu gehen.
Was im Scheitern verborgen ist und welchen Sinn es vielleicht gemacht hat, erkennen wir oft erst im Rückblick.
Und letztlich bewertet seine Erfahrungen jeder anders, weil wir unterschiedlich mit dem Thema groß geworden sind. Hinzu kommt, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der vor Allem immer noch der Erfolg zählt. Aber ohne Fehler, ohne Scheiter-Erfahrungen gibt es kein Wachsen, keine Kreativität.
Wie kann es Frauen in den Wechseljahren helfen, sich mit dem eigenen Scheitern auseinanderzusetzen?
In den Wechseljahren haben wir es oft mit Gefühlsschwankungen zu tun, die man auch aus der Pubertät kennt. Es beginnt ein neuer Lebensabschnitt, nicht nur hormonell, im Zusammenhang mit unserer biologischen Uhr, sondern auch im Rückblick auf seine Erfahrungen. Dann milder mit sich zu sein, sich nicht als Opfer zu fühlen, sondern widerstandsfähiger, weil wir durch diese Erfahrungen gegangen sind, daran gewachsen sind. Schließlich haben sie uns zu dem gemacht, wer wir heute sind.
Wie genau arbeitest du mit Menschen zu dem Thema Scheitern?
Unter dem Motto „Trotzdem – Geschichten vom Scheitern und daran wachsen“, moderiere ich alle zwei Monate Gesprächsabende, an denen ich drei Frauen einlade, ihre Geschichte zu erzählen. Ein geschützter Raum, in dem es einen wertschätzenden und achtsamen Umgang miteinander gibt.
Sowohl im Online-Format, z.B. für die Aktion Mensch, als auch in Präsenz habe ich Veranstaltungen zum Thema initiiert. Dabei geht es um das Anschauen unserer Misserfolge, die in der Rückschau vielleicht einen Sinn gemacht haben. Und auch die Gefühle, die man so ungern zulässt, lieber verdrängt, schauen wir uns an.
Zuletzt haben wir in einem Präsenz-Workshop mit einem Lebenslauf gearbeitet, der nur die gescheiterten Erfahrungen auflistet, das was fehlt: die Lücken im Lebenslauf, nicht bestandene Prüfungen, gescheiterte Beziehungen etc.. Im zweiten Schritt ging es um die Ressourcen und Fähigkeiten die man mitbringt und die uns im Schauen darauf helfen, mit dem Scheitern besser umgehen zu lernen. Keiner ist perfekt, das stellt man vor allem im Austausch darüber fest.
Was sagen die Teilnehmer:innen?
Am Ende der Veranstaltungen bekomme ich von den Teilnehmerinnen öfter die Rückmeldung, dass es noch nachwirkt, man sich im Austausch verbunden gefühlt hat, dass sie nicht die Einzigen sind mit ihren Themen.
Die Interviewten Personen hingegen empfinden Erleichterung, öffentlich darüber gesprochen haben. Jeder nimmt etwas mit, abhängig von dem, wo er oder sie gerade stehen im Leben.
Was muss, konfrontiert man sich mit dem eigenen Scheitern, beachtet werden?
Beachtet werden sollte, dass man nicht über seine Grenzen gehen sollte, achtsam mit sich ist. Ehrlich zu sich zu sein kostet auch schon Mut, und ist oft der erste Schritt, Verdrängtes an die Oberfläche zu holen.
Du bist überzeugt davon, dass wir an unserem Scheitern wachsen können. Wie würdest Du dieses Potenzial kurz zusammenfassen?
Was würde fehlen, wenn es kein Scheitern gäbe?
Hast Du eine Botschaft zum Schluss?
Es braucht viel mehr (Experimentier-)Raum in dem wir uns ausprobieren können!
Hinweis:
Du möchtest tiefer in das Thema einsteigen?
Brigitte Hawelka lädt in Lüneburg regelmäßig zu Gesprächsrunden über dieses Thema ein.
Die Veranstaltungen sind nur für Frauen:
SAMOWAR, Tea & Records, Am Sande 33 (Hinterhof), Lüneburg
Die nächsten Termine: Do. 27.06., 29.08., 24.10.2024
Autorin
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Wechseljahreberaterin
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